“Kein Viertel für Nazis!”-Teil 3: Das Fiasko-Fiasko.
Mitten in der Neustadt wirkt das auf der Görlitzer Straße 22 befindliche „Fiasko“ wie ein verruchter Schuppen, für Dynamo-Fans. Das scheint es durchaus auch zu sein, sticht es dennoch in der Vergangenheit immer wieder und auch jüngst durch ein Publikum hervor, welches aus dem Laden heraus, vor diesem und auch auf Gäste anderer Läden Übergriffe begangen hat.
Am Sonntag den 19. Mai 2019 kam es zu einem rechtsmotiviertem Übergriff auf mehrere, zum Teil als Linke erkennbare Person. Im Anschluss wurden auch Unbeteiligte von einer gewaltbereiten Gruppe aus dem Umfeld des Fiaskos heraus angegriffen. Wir haben mit einigen der Betroffenen und zum Teil bei den Übergriffen verletzten Personen und auch Augenzeugen gesprochen, um mit ihnen die Ereignisse aufzuarbeiten und hiermit zu veröffentlichen.
Das jüngste Ereignis: Tätliche Angriffe auf linke Personen.
Gegen 19 Uhr betrat eine, als links-politisch bekannte Person den Früh- und Spätshop auf der Görlitzer Straße 18, unweit vom Fiasko entfernt. In diesen Laden folgte ihm eine Person, die ihn vermutlich von vor dem Fiasko aus bereits sah und als eine linke Person (wieder)erkannte.
Im Laden kam es zu einer kurzen Diskussion woraufhin der Provokateur aus dem Fiasko-Umfeld, namentlich Hesse [1] (Nachname; Vorname unbekannt), die Person aufforderte den Laden zu verlassen um “die Sache” vor diesem zu bereden. Daraufhin verließen beide Personen den Laden. Vor diesem folgten direkt Äußerungen wie „Scheiß Kommunist“, „du Antifa-Schwein“ und diverse weitere, welche zeigten, wo das Problem für Hesse lag – nämlich im politischen Weltbild der anderen Person. Auf die Äußerungen folgend versuchte Hesse mehrfach zuzuschlagen, verfehlte die Person aber. Während dieser Situation beobachteten rund ein Dutzend, zum Teil bereits auffällig schwarz gekleidete Menschen vom Fiasko aus, die Situation. Andere in dieser Gruppe trugen eindeutig zu erkennende Kleidung beliebter rechter Szenemarken und oder T-Shirts mit der Aufschrift “Ostdeutschland”. Dies bemerkte die eben angegriffene Person und betrat aus Gründen des Selbstschutzes den Früh- und Spätshop, da sie vermutete, dass diese Personen auch darauf aus sind ihr Schaden zuzufügen. Einige Personen setzten sich daraufhin vom Fiasko aus in Bewegung Richtung Früh- und Spätverkauf.
Hesse folgte der Person erneut, provozierte diese im Laden und sagte, sie solle erneut herauskommen. Vor dem Laden bauten sich die hinzugekommen anderen Personen auf. Der Sohn von Hesse, Dave Hesse [2] betrat nun ebenso den Laden, gemeinsam mit dieser Person [3]. Dave Hesse schlug direkt auf die betroffene Person ein. Diese erlitt eine Platzwunde an der Lippe. Die Angreifer zogen sich daraufhin aus dem Laden zurück und stellten sich nun vor diesem. Vermutlich wegen der Eskalation selbst, vermutich auch wegen des Bemerkens der Videokamera die im Laden installiert ist.
Mehrfach in dieser Situation und in den folgenden Minuten versuchte die attackierte Person den Angestellten dazu zu bringen, dass er bitte den Laden durch den Hinterausgang verlassen dürfe – dies wurde verneint. Die Reaktion des Angestellten interpretierte die angegriffene Person als Angst vor möglichen Übergriffen der Angreifer auch auf diesen, sollte er hier Hilfe leisten. Personen die vor dem Laden waren und kurze Zeit später ebenso attackiert wurden, bestätigten dies. Als die Angreifer den Früh- und Spätshop verlassen haben, konnte die angegriffen Person ebenso durch den Hinterausgang den Laden endlich verlassen. Im Hinterhof verblieb die Person einige Minuten und wurde von Anwohner*innen des Hauses betreut und erstversorgt. Diese haben Teile der Szenerie vor dem Laden beobachten können.
Während die angegriffene Person sich noch im Laden befand und darauf hoffte diesen verlassen zu können, kam es dazu, dass sich ähnliche Szenen vor dem Laden abzuspielen begannen. Personen, welche die Übergriffe beobachteten und hinzukamen, als die Person im Laden bedrängt und dann verletzt wurde, wurden vor dem Laden von weiteren Angreifern erst verbal bedroht, dann körperlich bedrängt und schlussendlich attackiert. Einer der Angreifer brüllte mehrfach “Antifa-Fotzen” und “ihr linken Schweine” und kam dabei, denen die Hilfe leisten wollten bedrohlich nah.
Von den zum Teil, mit der bei rechten beliebten Marke Thor Steinar bekleideten und einigen schwarz gekleideten Personen, die bisher noch zum großen Teil vor dem Fiasko standen, rannte nun eine Gruppe von etwa 10 Leuten in Richtung des Früh- und Spätshops. Die so eben vor dem Laden bedrängten Personen versuchten zurückzuweichen. Nicht alle konnten dadurch aus der Situation entkommen und wurden direkt von den Angreifern geschlagen, getreten, beim Versuch zu Fliehen verfolgt und dabei weiterhin attackiert.
Vor einer Person, welche in eine Ecke getrieben wurde, bauten sich die Angreifer auf, ehe einer dieser ins Gesicht schlug. Die geschlagene Person knallte dabei mit dem Kopf gegen die Häuserwand und es wurde ihr kurzzeitig schwarz vor Augen. Die Angreifer verließen daraufhin den Ort des Geschehens Stück für Stück in Richtung Fiasko, gingen dort hinein oder verblieben vor dessen Tür um weiterhin die Situation rund um den Früh- und Spätverkauf sowie auf der Görlitzer Straße im Allgemeinen zu beobachten. Eine weitere, hinzugekommene Person konnte sich glücklicherweise vor einem einzelnen Angreifer noch zurückziehen, ehe auch sie tätlich attackiert worden wäre.
Im gegenüberliegenden Restaurant “Eva’s Pizza” filmten mehrere Personen das Geschehen. Eine dieser Personen wurde von Hesse [siehe 1] direkt darauf angesprochen, beleidigt, bedroht und schlussendlich genötigt die Foto- und Filmaufnahmen zu löschen. Einer anderen Person, die vor dem Laden auf ihr bestelltes Essen wartete, erging es eben so.
Die kurze Zeit später eintreffende Polizei fuhr zuerst jedoch am Ort des Geschehens vorbei bis zur Ecke Görlitzer/Louisen-/Rothenburger Straße, wendete dort – nachdem sie bemerkte hier falsch zu sein – und hielt dann mit einem Streifenwagen, einer Wanne und einem Zivilfahrzeug vor dem Fiasko. Die dort ausgestiegenen Beamten sprachen kurz mit Personen vor dem Laden, welche zum Teil auch zu den Angreifern gehörten. Nach weniger als 5 Minuten verabschiedete sich einer der Beamten mit einem Händeschütteln von einer dieser Personen. Medieninformationen der Polizei liegen zu diesem Fall bis heute nicht vor. Es wundert uns aber sowieso nicht, dass keine Ermittlungen aufgenommen wurden. Die hinzugerufene Polizei zeigte keinerlei Interesse an einer Strafverfolgung, noch an einer Befragung der umstehenden Passant*innen oder den Personen in den Geschäften gegenüber oder nebenan. Es wurden ebenso keine Personalien festgestellt.
Unbeirrt hielten sich die Angreifer weiterhin in und vor dem Laden auf und bepöbelten vorbeigehende Personen. Ein eher alternativ aussehender Passant wurde von einer Person vor dem Fiasko kurzzeitig in den Schwitzkasten genommen, ehe dieser wieder gehen konnte. Andere der vor dem Fiasko befindlichen Personen machten sich dabei über diesen Menschen lustig. Die Stimmung der Angreifer war weiterhin aufgeputscht und wirkte bedrohlich, als hätten sie noch immer großes Interesse an körperlichen Auseinandersetzungen – nicht nur mit Linken, sondern ganz allgemein.
Interessant und beängstigend zugleich war an der Situation der körperlichen Auseinandersetzung, dass die Schlägerei nicht etwa einer halbwegs geordneten Hooligankeilerei ähnelte, sondern ein gezieltes In-die-Ecke-Treiben Einzelner durch mehrfache Angreifer darstellte. Die Überzahlsituation wurde bewusst ausgespielt um nicht nur zu verletzen, sondern zu demütigen.
Die Situation löste sich glücklicherweise aber damit auf. Zwar verblieben die Angreifer noch vor dem Laden, doch zogen sie sich je später der Abend wurde vermehrt in das Fiasko zurück oder verließen den Ort. Einige der Angreifer sind langjährige Bewohner der Neustadt und Stammgäste des Fiaskos sowie anderer Lokalitäten, wie etwa der MyBar24/Cafe24 oder etwa der Schwarzen Hexe am Albertplatz.
Angriffe auf migrantische Personen
Ende Oktover 2018 kam es zu Jagdszenen, als migrantische Menschen das Fiasko betreten wollten und ihnen der Zutritt verwehrt wurde. Die migrantischen Personen wollten daraufhin in Richtung Alaunpark weitergehen, ehe eine der Person von einem Gast des Fiasko noch vor dem Laden niedergeschlagen wurde. Es flogen Bierflaschen in Richtung der migrantischen Personen. Die niedergeschlagene Person musste später vom hinzugerufenen Notarzt behandelt werden. Andere Gäste des Fiaskos verfolgten die migrantischen Personen nun in Richtung des Alaunparks und trieben diese rennend vor sich her. Unter den Angreifern waren nicht nur Personen mit rechter Szenekleidung, sondern auch Menschen, die man dem Erscheinungsbild nach dem „Punk“-Umfeld zuordnen würde. Die Angegriffenen konnten jedoch auf Höhe des Bischofsweges ihren Verfolgern entkommen. Die Angreifer zogen sich zurück ins Fiasko.
Bereits im Mai 2017 kam es von Personen aus dem Umfeld des Fiasko, bzw. durch Menschen die das Lokal regelmäßig besuchen, zu einem Angriff auf migrantische Personen. Eine Mischung aus scheinbar unpolitischen “Altpunks” und Personen die man anhand der Kleidungsmarken und ihren Äußerungen entsprechend dem rechten Spektrum zuordnen würde, befanden sich am gegen 1 Uhr Nachts am 20. Mai vor dem Spätshop Holfix (Haltestelle Görlitzer Straße). Als aus der Straßenbahn (Linie 13 Richtung Mickten) mehrere migrantische Personen stiegen und die Bahn sodann weiterfuhr, griffen mehr als ein Dutzend, vor dem Holfix befindliche Personen, unvermittelt mit Flaschenwürfen die eben Ausgestiegenen an. Dem einher gingen ausländerfeindliche Beleidigungen. Unter anderem wurde “Verpisst euch dahin wo ihr herkommt!” gerufen. Es kam infolgedessen zu einer Schlägerei an der circa 30 Personen beteiligt waren [4]. Die Auseinandersetzung wurde von der hinzugerufenen Polizei aufgelöst. Einige Personen wurden kurzzeitig festgehalten und identifiziert, während andere von Sanitätern versorgt wurden. Die Polizei ging – Überraschung! – nicht von einem politischen Hintergrund aus, trotz fremdenfeindlicher Äußerungen der Angreifer.
Allgemeines zum Klientel des Ladens
Das Fiasko war früher ein Laden, der regelmäßig auch Punk-Konzerte und dergleichen veranstaltete. Dies könnte die Überschneidungen verschiedener Kleidungsstile und der äußeren Erscheinung des Publikums erklären, von denen manche bei Jagden auf Linke oder scheinbar migrantische, beziehungsweise ausländische Menschen mitmach(t)en.
Heute sieht man zu den Öffnungszeiten des Ladens vor allem männliche Personen aus dem Fußballumfeld. Oft mit Fan-Kleidung von Dynamo Dresden oder dessen Fangruppen. Neben diesen auch Personen mit Kleidung verschiedener Marken die im Hooligan-Spektrum beliebt sind. Manche Personen tragen T-Shirts mit entsprechend dämlichen Sprüchen, die zwar im Kern sich um Fußball drehen sollen, aber mit Nazi-Symbolik und -Rhetorik spielen. Beispielsweise mit Slogans wie „Nach Frankreich fahr ich nur auf Ketten“. Dieses findet sich vor allem in rechtsextremen Versandhandeln wieder.
Neben dem Fußballklientel bemerkt man bei genauerer Betrachtung jedoch auch Menschen mit T-Shirts rechter (Mode-)Labels. Hier ist eindeutig wessen Geistes Kind diese Leute sind.
Das Fiasko ist lediglich ein Symptom
Das Fiasko stellt in dieser Hinsicht keinen eindeutig rechten Laden dar, lassen sich doch im Lokal auch noch einige linke Sticker finden. Auch werden nicht alle Gäste ein rechtes Weltbild vertreten oder vermutlich nur der Atmosphäre oder der vermeintlichen Identität wegen hingehen, in der Hoffnung es sei eine Dynamo-Fankneipe. Das Fiasko ist viel mehr ein Symptom dessen was herauskommt wenn rechte Gäste geduldet werden. Im Fiasko konnten in diesem Fall rechte Personen unter Zuhilfenahme eines Klientels aus Hooligans, gewöhnlichen Fußballfans und aus anderen Gründen gewaltaffineren Menschen eine Jagd auf linke Menschen machen. Der Erfolg für die Angreifer in diesem Fall steigerte sich auch nach deren Rückzug Richtung Fiasko derart, dass Bedrohungen und Übergriffe auf völlig Unbeteiligte die Folge waren. Das Fiasko steht stellvertretend dafür was passiert, wenn man Nazis im Lokal duldet.
Und ein solches rechtes/extrem rechtes Klientel wird im Fiasko geduldet. Es kann dieses Lokal problemlos als einen Ort betrachten, in welchem sie – bisher – in der vermeintlich linken Neustadt nichts zu befürchten haben, aufgrund ihrer menschenverachtenden Einstellung konfrontiert zu werden. Ganz im Gegenteil: das Tolerieren solcher Personen, mit teils codierten, teils eindeutig der extremen Rechten zuordenbaren T-Shirts [5], führt zu Vorfällen wie wir sie bereits oben hinreichend beschrieben haben. Zusätzlich führt die Duldung eines Ladens, welcher dieses Klientel bedient dazu, dass auch angrenzende Läden sich damit arrangieren (müssen) und eine solche Kundschaft tolerieren (müssen), welche Jagd auf Menschen macht und im Zweifelsfall auch auf Kund*innen der anderen, umgrenzenden Läden, die sich als teilweise auch öffentlichkeitswirksam als weltoffen verstehen. Weltoffen zu sein heißt aber auch, dass man solchen rechten Umtrieben keinen Raum gibt, sondern diese bekämpft. Und das nicht nur im eigenen Lokal.
Wir hoffen dass sich Gewerbetreibende und Anwohner*innen, vor allem in der Görlitzer Straße, bewusst machen welche Personen hier verkehren. Einige solidarische Anwohner*innen gibt es, diesen möchten wir stellvertretend für die, bei den Übergriffen verletzten Personen, noch einmal ein großes Dankeschön aussprechen! Es wäre wünschenswert, wenn auch andere sich daran ein Beispiel nehmen und man in der Zukunft gemeinsam, gerne auch mit uns, gegen solche Läden vorgehen könnte, die Menschenfeinde als Gäste dulden oder sogar begrüßen.
1 Response
[…] Ricardo Knöfel und Freya Honold. Auch Toni Schneider, seines Zeichens AfD Stadtrat in Hoyerswerda [2 und 3], war an den Auseinandersetzungen […]