„Hinweise auf rechtsterroristische Aktivitäten liegen derzeit nicht vor“: Bundesinnenminister H.-P. Friedrich
Noch am 24.07. 2011 sah Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich „keine unmittelbare Gefahr für rechtsextremistische Terroranschläge“. Dies wollte er der bundesdeutschen Bevölkerung mit den Worten: „Hinweise auf rechtsterroristische liegen derzeit nicht vor.“ zumindest glaubhaft machen.
Als am 04.11.20011 ans Tageslicht kam, dass eine(neo-)nazistische Gruppierung namens „Nationalsozialistischer Untergrund“ („NSU“) hinter der Mordserie stand, welche – nicht untypisch für den doof-deutschen Zeitgeist – verächtlich „Döner-Morde“ geschimpft wurde, war das Lamento groß. Knapp dreizehn Jahre konnte die sog. „Zwickauer Terrorzelle“ – ein Name, welcher das ganze Ausmaß der mörderischen Dimension bagatellisierend auf die ostdeutsche Provinz begrenzt- im „Untergrund“ abtauchen und mordend durch die Lande ziehen[1].
Derweil wurden Politiker*innen allerorten nicht müde die „Gefahr von Rechts“ zu negieren[2], wobei sie im selben Atemzug – meist höchst motiviert – hinterher schoben, dass die eigentliche Gefahr für die fdGO (was immer das auch sein mag[3]) von „Linksextremisten“ oder schlimmer noch, von „islamistischen Extremisten“ ausgehe[4]. Besonders hervorgetan haben sich hierbei Politiker*innen der bürgerlich-konservativen und liberalen Parteien[5], was nicht verwundern dürfte, da die „Rechten“ ja nur Minderheiten die „Linken“ aber „Herrschafts- und Besitzverhältnisse“ angreifen (wollen).
Anfangs noch überrascht und betroffen ob der Tatsache, dass Mord die logische Konsequenz des menschenverachtenden Weltbildes der (Neo-)Nazis darstellt, scheint der bundesdeutsche Alltag aber nun wieder Einzug in Medien und Öffentlichkeit gehalten zu haben (erneute Diskussion über das was vom ehemaligen Recht auf Asyl noch vorhanden ist[6], das schon lieb gewonnene Minderheitenbashing zur Aufrechterhaltung der deutschen Radfahrermentalität[7] und überhaupt sind alle faul und doof außerhalb des deutschen Universums!), und das obwohl immer neue Details und Skandale, welche belegen wie sehr „Vater Staat“ in den rechten Terror involviert war/ist, fast täglich ans Tageslicht kommen[8].
Eine wirkliche Aufarbeitung allerdings kann nicht stattfinden, da die Bundes- sowie die beteiligten Landesregierungen und die ihnen unterstellten Behörden, welche involviert waren und/oder sind (Unterstützung, Observierung, Aufklärung, etc.) anscheinend kein Interesse an eben jener Aufarbeitung zu haben scheinen[9]. Abgesehen davon, wäre es vermessen anzunehmen, dass Untersuchungsausschüsse, welche sich hauptsächlich aus Vertreter*innen des aktiven parteipolitischen und parlamentarischen Tagesgeschehens und somit auch aus Parteifreund*innen und eventuellen Helfer*innen der Hauptverantwortlichen zusammensetzen, objektiv und kritisch arbeiten würden[10].
Doch eine lückenlose Aufarbeitung ist nötig, um den Opfern angemessen gedenken und die Hinterbliebenen unterstützen zu können, fernab einer öffentlichen Trauerfeier – in der eher um den guten Ruf Deutschlands in der Welt als um die Mordopfer getrauert wurde[11] – und fernab irgendwelcher Schweigeminuten[12], an denen sich keine*r beteiligte und die ebenso inhaltsleer daherkamen wie einst das „Kokeln gegen Brandstifter“ im Jahre 1992[13].
Eine lückenlose Aufarbeitung tut aber auch Not, soll sich gesamtgesellschaftlich etwas ändern. Was heißen soll, dass nur wenn alles ans Tageslicht kommt auch die perfiden Mittel und Wege aufgedeckt werden können, welche genutzt werden um Macht- und Herrschaftsinteressen zu verfolgen. Denn anscheinend hat das, was Anfangs wie der Phantasie geltungsbedürftiger Verschwörungstheoretiker*innen entsprungen daher kam, wieder einmal Methode[14].
Heute, knapp ein Jahr später sieht es in Deutschland nun so aus: Die Aufarbeitung der Verbrechen des „NSU“ wird von den Institutionen behindert, welche diese Verbrechen theoretisch hätten verhindern und/oder aufklären sollen. Das öffentliche und mediale Interesse nimmt trotz der Häufung von Skandalen merklich ab und für potentielle Opfer (neo-)nazistischer Gewalt hat sich rein gar nichts geändert – im Gegenteil.
Deshalb unterstützen wir als U.R.A.DD den Aufruf aus Zwickau und fordern eine lückenlose Aufdeckung der Geschehnisse rund um den „NSU“, einen würdigen Umgang mit den Opfer des „NSU“ und wir solidarisieren uns mit den Angehörigen eben jener, welche in Folge der Ermittlungen der Polizei Vorurteilen und Diffamierungen von allen Seiten ausgesetzt waren.
Wir unterstützen aber auch alle anderen Aktionen und Kampagnen welche sich mit den Morden des „NSU“ sowie anderen (neo-)nazistischen Verbrechen kritisch auseinander setzen und versuchen das Gedenken an deren Opfer hoch zu halten. Zudem fordern wir dem alltäglichen Rassismus, welcher konsensual daher kommt, offen entgegen zu treten und potentielle Opfer (neo-)nazistischer Gewalt zu schützen!
Fakt ist: Menschenverachtende und diskriminierende Einstellungen, egal welcher Art, sind kein Phänomen eines konstruierten äußersten Spektrums der Gesellschaft.
[1] http://nsu-watch.apabiz.de/zeitleiste/
[3] http://linksextremismus.wordpress.com/2011/08/23/wieviel-demokratie-vertragt-die-fdgo/
[4] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-06/Friedrich-Praevention-Islamismus
http://www.mdr.de/sachsen/ulbig-statistik100.html
[5] siehe Viertens
[6] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-10/asylbewerber-serbien-mazedonien
[7] http://www.taz.de/!102302/
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-09/nsu-npd-wohlleben
[9] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-10/nsu-ausschuss-eklat-fritsche-edathy
[11] http://www.taz.de/!88346/
[12] http://www.taz.de/!88358/
[13] http://www.nadir.org/nadir/archiv/Diverses/pdfs/lupus_lichterketten.pdf
[14] http://www.ndr.de/geschichte/cellerloch100.html
http://www.welt.de/politik/article931690/Der-Polizist-der-Rauf-auf-die-Bullen-schrie.html