[UPDATE] Zugtreffpunkt: gestern, heute, morgen? – Demonstration anlässlich des 10. Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU
Wir laden euch zur gemeinsamen Anreise aus Dresden zur Demo ein! Dafür könnt ihr folgenden Zugtreffpunkt nutzen:
Treff: 06.11. 11:30 am Dresdner Hauptbahnhof – Eingang Wiener Platz
Abfahrt: 11:51 RE 3 (74016) – Gleis 11, Ankunft 13:26 Uhr, Demobeginn 14 Uhr
Gemeinsamer Aufruf von NSU-Watch, Rassismus Tötet, Chemnitz Nazifrei, fantifa_leipzig, Aktivisti Zwickau und URA Dresden
Seit nunmehr 10 Jahren haben wir die Gewissheit, dass Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat dem mörderischen Rassismus des NSU zum Opfer fielen. Auch die Polizistin Michèle Kiesewetter wurde durch die Rechtsterrorist*innen getötet.
Erfolgsgeschichte NSU?
Nun ist es 10 Jahre her, dass Mundlos und Böhnhardt sich am 04.11.2011 nach einem gescheiterten Banküberfall erschossen und Zschäpe anschließend ihre Wohnung in Brand setzte, tagelang durch die Republik irrte und sich schließlich selber den Behörden stellte. Ermöglicht wurde das jahrelange Morden durch ein breit gefächertes Helfer*innen-Netzwerk, dessen Mitglieder weitestgehend bis heute unbehelligt agieren können. Das sich der NSU selbstenttarnen konnte, ist kein Zufall: Durch das jahrelange Verdrängen, Verharmlosen und Unterstützen rechter Strukturen, konnte der NSU entstehen und gedeihen. Während bereits im Sommer 2006 Angehörige und migrantische Communities auf Großdemonstrationen in Kassel und Dortmund forderten “9 Opfer – Wir wollen kein 10. Opfer. Stoppt die Mörder”, konzentrierten sich Strafverfolgungsbehörden, Medien und Gesellschaft darauf eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben und die Angehörigen und Überlebenden zu drangsalieren. Auch die radikale Linke hatte diesem Narrativ nicht wahrnehmbar etwas entgegenzusetzen und scheiterte selbst daran, die rassistischen Motive zu erkennen. gestern, heute, morgen? – Demonstration anlässlich des 10. Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU
Aus dem NSU nichts gelernt – Rechtsterrorismus heute
Das Oktoberfestattentat, der antisemitische Doppelmord in Erlangen, der rassistische Brandanschlag in der Hamburger Halskestraße, die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau und Hoyerswerda und die rassistischen Brandanschläge bsp. in Mölln, Sollingen und Lübeck sind Teil der Geschichte rechten Terrors und seiner verdrängten Kontinuität. Der NSU reiht sich in diese lange Tradition ein und lässt sich ohne diese nicht verstehen: Die rassistische Mobilmachung der Nachwendejahre, das Erstarken rechter Strukturen in Ost und West und die fehlende Strafverfolgung rechter Gewalt der 90er Jahre vermittelte den Täter*innen die Sicherheit, als Vollstreckende des Volkswillens legitimiert zur Tat schreiten zu können. Rechter Terror ist längst Normalzustand und eng verwoben mit der Geschichte Deutschlands seit 1945. Er zeigte sich besonders deutlich in den vergangenen Jahren: Hanau 2020, Halle 2019, der Mord an Walter Lübcke 2019, der Anschlag auf das OEZ in München 2016 und mehrere hundert Todesopfer rechter Gewalt nach 1990, sind die drastischste Konsequenz des rassistischen Normalzustandes. Die Liste ließe sich erweitern um den NSU 2.0, die Gruppe Freital oder die fast täglich neuen Meldungen über das Auffliegen rechtsterroristischer Gruppen und Strukturen in Polizei und Militär. Die Kontinuitäten rechten Terrors in Deutschland zeigen auch den Fortbestand des Zusammenspiels der Sicherheitsbehörden mit rechten Netzwerken auf. In Zwickau bilden sich zudem seit Monaten bedrohliche rechte Strukturen, welche ein hohes Gefahrenpotenzial bergen, sodass man sich die Frage stellen muss: Wie lange wird es noch dauern, bis in Zwickau oder anderswo ein erneuter Fall von Rechtsterrorismus ans Licht kommt?
Zwickau – Stadt des Vergessens/ Biotop für Rechtsterrorist*innen
In Zwickau, der Stadt, in welcher der NSU jahrelang unbehelligt und bestens integriert wohnen und das Morden planen und umsetzen konnte, wird sich bis heute gegen eine konsequente Aufklärung der Taten und die Aufarbeitung der Rolle der Stadt in Bezug auf den NSU gestellt. Ein würdiges Gedenken muss diese Kontinuität von rechtem Terror und Gewalt in den Blick nehmen und Konsequenzen daraus ziehen. Gesellschaftlich initiierte Forderungen von antifaschistischen Gruppen und anderen Initiativen nach einem Dokumentationszentrum werden durch die Verwaltung abgelehnt, das Schaffen einer halben Personalstelle, um sich mit der Aufarbeitung zu befassen, wurde durch den zuständigen Haupt- und Verwaltungsausschuss verweigert. Dabei wohnen Personen aus dem Unterstützer*innen-Netzwerk, wie beispielsweise André Eminger, noch heute in Zwickau und Umgebung. Abseits von kleinen Aktivist*innengruppen findet Gedenkarbeit in Zwickau nicht statt. Lieber möchte man hier vergessen und den Makel des NSU-Bezuges, auf den kritisches Gedenken hinweist, vom Image der “weltoffenen Stadt” wegpolieren.
Erinnern heißt Kämpfen – Aufklären und einmischen!
“Lückenlose Aufklärung” ist weder in Zwickau noch anderswo in Deutschland von Behörden oder Staat zu erwarten. Es liegt an uns.Warum gehen wir am 06. Novemver auf die Straße? Wir wollen eine Gesellschaft, in der Neonazis nicht ungehindert Menschen ermorden können. Wir wollen erinnern – erinnern an das was geschehen ist, an das was verschwiegen wird, an die Ursachen und Folgen diesen Terrors. Die Taten des NSU dürfen nicht vergessen werden. Die Ermordeten dürfen nicht vergessen werden. Wir rufen die Menschen der Stadt Zwickau auf, sich mit der Kontinuität rechten Terrors in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld zu beschäftigen.Eine Stadt, in der das einzige in 10 Jahren sichtbare Gedenken ein von Neonazis abgesägter Gedenkbaum für die Opfer des NSU war, sollte alles daran setzen, endlich eine lebendige und kontinuierliche Gedenkkultur aufzubauen und zu pflegen.Wir fordern dass Angehörige und von Rassismus betroffene Menschen endlich als “Hauptzeug*innen des Geschehens” wahrgenommen werden, nicht als bloße Statist*innen.Wir rufen die Stadt Zwickau dazu auf, sich endlich aktiv mit ihrem stetigen Neonaziproblem auseinanderzusetzen. Rechte Strukturen, die in hier und in der Region seit jeher Bestand haben, sollen benannt und bekämpft werden – nicht ignoriert oder gar integriert. Aus aktuellstem Anlass: Weder in Zwickau noch anderswo dürfen heute die Täter von morgen in rechtsterrorfreundlichen Biotopen heranwachsen.
Und wir fordern eine lückelose Aufklärung des NSU-Komplexes! Um Rechtsterrorismus zu bekämpfen, gilt es das NSU-Umfeld komplett aufzuklären und immer noch aktive rechte Netzwerke zu identifizieren und zerschlagen.