Auswertung zu den diesjährigen Ereignissen um den 13. Februar

Wir schreiben das Jahr 2023 und noch immer müssen wir uns rund um den 13. Februar mit Geschichtsrevisionismus, kleinbürgerlichem Rumgeopfer, Faschos und anderen Denkzwergen herumschlagen. Also alles wie immer, oder? Nein, nicht ganz. Dieses Jahr war es selbst für Dresden absurd, wurde der Zirkus rund um den 13. Februar zu einem teils groteskem Possenspiel.

Aber der Reihe nach.

Eigentlich sind zur hiesigen fünften Jahreszeit alle Fakten auf dem Tisch, alle Argumente ausgetauscht. Wer immer noch nicht auf dem aktuellen Stand sein sollte, der*dem legen wir das Buch “Gedenken abschaffen. Kritik am Diskurs zur Bombardierung Dresdens 1945.” vom Autor*innenkollektiv Dissonanz sowie “Die kollektive Unschuld – Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde” von Gunnar Schubert wärmstens ans Herz.
Um aber alle kurz ins Boot zu holen: Das institutionalisierte, öffentliche Gedenken rund um den 13. Februar gehört abgeschafft! Es relativiert die Geschichte und die deutschen Menschheitsverbrechen, ist ein wesentlicher Teil der Arbeit an einer Normalisierung und an einem Schlussstrich und somit auch Anknüpfungspunkt für alte und neue Nazis und andere Menschenfeinde.

Gleich zu Beginn müssen wir festhalten, dass das Bündnis Dresden Nazifrei nun leider endgültig Geschichte ist. Hat man sich die ersten Jahre nach den erfolgreichen Blockaden 2010 und 2011 gewähnt einen der größten Naziaufmärsche Europas nachhaltig gestört zu haben, stellte sich die folgenden Jahre Ernüchterung ein, auch bei uns. So ebbte der überregionale Support zunehmend ab, was auf lokaler Ebene nicht abgefangen werden konnte.

Während der neonazistische „Trauermarsch“ über die Jahre wieder an Teilnehmer*innen gewann, etablierten sich ab 2014 zudem neue rechte Straßenmobilisierungen in Dresden und sachsenweit. So sahen wir uns im Laufe der Zeit gezwungen unseren Fokus zu verlegen, weg von ständigen Gegenmobilisierungen und Feuerwehrpolitik, hin zum Versuch der breitenwirksamen Vorfeld- und Bündnisarbeit sowie zu Skill Sharing und Wissensweitergabe. Speziell rund um den 13. Februar hieß das für uns die letzten Jahre, dass wir die Proteste gegen die Naziaufmärsche zwar punktuell unterstützten, unseren Fokus aber auf die Kritik, auch praktisch, am öffentlichen und institutionalisierten Gedenken legten. Dies geschah mit dem Ziel Wissen weiter zu geben und um irgendwann endlich sagen zu können, dass der geschichtsrevisionistische Zirkus rund um den Jahrestag der Bombardierung Dresden endlich abgeschafft, Geschichte ist.

Doch nun zu den Geschehnissen in diesem Jahr

Am 11. Februar, dem Samstag vor dem eigentlichen Jahrestag, marschierten die für das Dresdener Gedenken obligatorischen klassischen Neonazis auf. Wie immer rollten die Stadt und deren Behörden eben jenen den Roten Teppich aus und sorgten wieder für die Wohlfühlatmosphäre, für die alt und neu Nazis Dresden so sehr lieben.

Da auch 2023 das neonazistische Murmeltier wieder grüßte, rund um den Faschoauflauf aber nix wirklich Neues passierte, verweisen wir euch einfach auf die alljährliche Auswertung vom Antifa Recherche Team:

Was auf den ersten Blick als neu daher kam, ein zweiter Aufmarsch im kognitiven Unterbietungswettbewerb, offenbarte am Ende aber auch nur wieder wo die Stadt Dresden Prioritäten setzt.

Wie immer, das Positive zu erst. Es war schön zu sehen, dass sich so viele Menschen am Montag mobilisieren ließen. Das macht Hoffnung auf mehr. Aber wie schon 2017 und 2018 ließen die Behörden der Stadt den originären „Trauermarsch“ gewähren, tangierte er doch nicht den pseudobarocke Freizeitpark im Zentrum, während die zweite Mobilisierung der Zuenggescheitelten den antifaschistischen Blockaden überlassen wurde. So stellte sich der Abend des 13. Februars für uns so dar, dass die Stadt mit Hilfe der Polizei die Blockade am Pirnaischen Platz gewähren lies. Deshalb können wir nicht in den Jubelreigen rund um die Blockade mit einstimmen. Sie war ein Geschenk der Polizei, welches ganz nebenbei zur Imagepflege der Stadt instrumentalisiert wurde. So war es dem „Schweigemarsch“ nicht möglich zum offiziellen Rumgeopfer vor der Frauenkirche vorzudringen und den Medien und der überregionalen Öffentlichkeit konnten viele hundert Antifaschist*innen als aktive und kritische Zivilgesellschaft verkauft werden, ohne diese explizit als Antifas zu benennen. Im Nachgang konnten sich alle Anwesenden auf die Schultern klopfen, während alle Antifaschist*innen abseits der Feigenblattblockade wie immer die harte Hand der bürgerlichen Gesellschaft zu spüren bekamen.

Da sich Dresden bekanntlich für fast gar nix zu blöde ist, durfte auch der antisemitische Jammerossi Steimle seinen Senf dazu geben und zeigen, wie anschlussfähig das Gedenken in seiner jetzigen Form für eigentlich alle Denkzwerge ist. Wie später auch zum „Schweigemarsch“, kam die dresdentypische Melange zusammen. Vom klassischen Fascho bis zum Klemmfascho, von verkürzten bis falschen Friedensbewegten und anderen Antisemit*innen, wie auch DDR-Nostalgiker*innen und AfD’ler*innen traf sich so ziemlich alles hängengeblieben zu Steimles verlogenem Friedensstadl.

Diese Aufläufe zeigen einmal mehr, dass das perfide Bild Dresdens als Mahnmal gegen Krieg und Gewaltherrschafft, welches dir rund um den 13. Februar pausenlos um die Ohren gehauen wird, nicht der (selbst-)kritischen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit dient sondern der Umdeutung der Geschichte und der Täter-Opfer-Umkehr, was die Anschlussfähigkeit für alte und neue Nazis erst ermöglicht.

Somit sind wir dann auch beim eigentlichen Problem.

Ja, es kotzt uns an, wenn immer und immer wieder blau-braune Klappspaten durch Dresden exerzieren. Allerdings sehen wir im reinen Gegen-Nazis-Sein nicht den Ansatz einer Lösung des Problems sondern lediglich Symptombekämpfung.

Ja, es hat sich etwas geändert in der öffentlichen Darstellung. So hat die Historikerkommission gute und wichtige Arbeit geleistet und Dresden kann und wird nicht mehr offiziell als unschuldige Kunst- und Kulturstadt angesehen und benannt werden. Auch die Kritik diverser antifaschistischer Gruppen und Organisierungen ging nicht spurlos am Gedenken der Stadt vorbei.
Im überlieferten, kollektiven Bewusstsein hat sich aber wenig bis gar nichts geändert. Auch wenn der Geschichtsrevisionismus nicht mehr mit der Tür ins Haus fällt, so ist er dennoch da.

Ein Beispiel gefällig? Wenn wir uns fragen wie sehr man die Geschichte verdrehen kann, antwortet Ingo Flemming vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge mit „Ja!“:

“Man muss die Nähe zur Ukraine einfach herstellen, da dort wegen russischer Bomben Zivilbevölkerung ums Leben kommt und so das gleiche Leid entsteht. Und das, wo wir doch dachten, es seit 80 Jahren überwunden zu haben.”

Das ist auf so vielen Ebenen verstörend. Nicht nur, dass er die Dimension und die Singularität der deutschen Verbrechen im In- und Ausland relativiert, nein, Flemming inszeniert hier die Dresdener*innen gar als Opfer, in dem er die Bomben der Alliierten gleichsetzt mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Als ob es die Zeit und die Gräuel nach dem 30. Januar 1933 nicht gegeben hätte. Abgesehen davon, dass nicht erwähnt wird, dass auch Deutschland schon in der Ukraine gewütet und getötet hat, entkontextualisiert er so die Luftangriffe auf Dresden.
So treten dann auch die Gründe für die Bomabrdierung von Dresden in den Hintergrund und die Erinnerung an das von Deutschen verursachte Leid verblasst. Man macht sich frei von den negativen Aspekten der eigenen Geschichte.

Die Initiative Weltoffenes Dresden, ein Zusammenschluss von Dresdener Kunstschaffenden, initiierte dieses Jahr „Eine gemeinsame Plakataktion von 19 Dresdner Kulturinstitutionen und Initiativen an neun zentralen Plätzen zum 78. Jahrestag des Gedenkens an die Zerstörung Dresdens im II. Weltkrieg.“ Auch hier wurde die Bombardierung Dresdens, die eine mindestens zwölfjährige Vorgeschichte hatte, aus dem historischen Kontext gerissen und mit dem aktuellen Leid der Ukrainer*innen auf eine Stufe gestellt, Dresden und seine damaligen Einwohner*innen uneingeschränkt zu Opfern gemacht.

Von der “Sehnsucht nach Frieden, Freiheit und historischer Wahrhaftigkeit” war zu lesen. Doch diese Sehnsucht wird nicht damit befriedigt, die Zerstörung Dresdens zu entkontextualisieren und die Ursachen und Folgen der deutschen Barbarei zu relativieren. Die aktuellen Verbrechen, Leiden und Zerstörungen in der Ukraine, infolge des russischen Angriffskrieges, den Bombardements im Februar 1945 gegenüberzustellen, die Zerstörung Dresdens somit zu entkontextualisieren, bedeutet schlicht die erneute Relativierung der Gründe und Folgen der deutschen Vernichtungssehnsucht. Mit Dresden traf es nicht irgendeine Stadt in irgendeinem Krieg. Die historische Wahrhaftigkeit sieht so aus: Die Bomben trafen mit Dresden ein immer noch gut funktionierendes Rädchen im NS-System, die letzte intakte Garnisonsstadt im Rücken des von Deutschland begonnenem Vernichtungskrieges, welcher die systematische Auslöschung menschlichen Lebens zum Ziel hatte und auch noch am 13. Februar 1945 Deportationsbescheide an die noch in Dresden lebenden Jüd*innen schickte. Eine solche Gegenüberstellung, die angegriffene Ukraine mit der Bombardierung Dresdens im Kontext von Aggression und Vernichtung, führt zwangsläufig zum Revisionismus der Shoah und aller deutschen Verbrechen und somit ihrer historischen Singularität.

Was auch 2023 nicht fehlen durfte, ist die immer wiederkehrende Mär vom “Krieg der auf deutschen Boden zurück kam“.  So twitterte der Weinpolitische Sprecher der Sachsen-CDU mit massivem Rechtsdrall, Sebastian Fischer, dass der „grauenhafte und verbrecherische Krieg“ nach Deutschalnd zurückkehrte. Ganz kurz und nochmal zum Mitmeißeln: Nein! Der von deutschem Boden ausgegangene, vom Rassenwahn getriebene Krieg war einer um “Lebensraum” und zur Vernichtung „undeutschen“ Lebens. Im Rücken der Alliierten gab es keine Menschenversuche, keine Euthanasie, keinen Kommisarbefehl, keinen Sühnebefehl, kein Oradour-sur-Glane, kein Lidice, kein Babyn Jar, keine Vernichtungsindustrie und kein Auschwitz.

Was sonst noch so war?

Die mediale Berichterstattung rund um den 13. Februar war auch 2023 wieder brandgefährlich. Nationalsozialismus, Warschau, Schuld oder Shoah? Quasi null Erwähnung. Dafür um so mehr Imagepflege, Selbstbetrug, Verharmlosung und Revisionismus in Dresden.

Wer sich schon immer mal fühlen wollte wie Jana aus Kassel, kann sich alljährlich und weißberost in die Menschenkette einreihen. Die Menschenkette, die nie mehr war als ein selbstgefälliges und selbstgerechtes Symbol, gab dieses Jahr nicht einmal mehr vor die historische Altstadt vor Faschos zu schützen. Diese Rolle überließ man dieses Jahr der antifaschistischen Blockade auf dem Pirnaischen Platz. Ach ja, Dresdener Frauenkirche. Wer sich glaubhaft gegen rechtes Gedankengut positionieren und einsetzen will, lädt keine verschwörungsgläubigen Hetzer wie Tellkamp ein! Man kann nur verlieren, wenn man Berufsopfer und Diskursmärtyrer einlädt. Schlimmer noch, man bietet diesem eine Bühne, von der aus er öffentlichkeitswirksam seinen Rassismus, seinen Antisemitismus und seine Abscheu gegenüber der Demokratie verbreiten kann.

Fazit:

Das öffentliche und institutionalisierte Gedenken und der Zirkus rund um die Bombardierung Dresdens sind und bleiben ein gefährliches Ärgernis. Dieser Zirkus ist ein wesentlicher Bestandteil der bundesdeutschen Normalisierungs- und Schlussstrichdebatte. Und nein, dieses Bohei wird nicht von irgendwelchen politischen Akteur*innen instrumentalisiert! Es bietet einen nahtlosen Anknüpfungspunkt für alte und neue Nazis, da die Intention die gleiche ist.
Wenn die Stadt Dresden wirklich etwas gegen die jährlichen Naziaufmärsche unternehmen will, dann muss das Gedenken abgeschafft werden und sich aktiv gegen die Menschenfeinde gestellt werden. Dann müssten auch rechte Akteur*innen wie AfD, Freie Wähler und CDU aus der AG 13. Februar ausgeschlossen werden, wenn diese sich als seriöser Teil der progressiven Stadt und Zivilgesellschaft einbringen will!

Aber auch die (radikale) Linke in Dresden muss sich Kritik stellen! Die Kritik am Gedenken scheint kaum noch eine Rolle zu spielen oder schlimmer noch, das Wissen darum ging über die Jahre verloren. In den Protestaufrufen oder den Redebeiträgen der letzten Jahre, sofern es welche gab, spielte die Kritik am Gedenken kaum bis keine Rolle mehr. Aber ein bloßes Gegen-Nazis-Sein bringt uns in der fünften Jahreszeit nicht weiter, denn das öffentliche, institutionalisierte Gedenken bietet die Grundlage für die rechten Aufmärsche jeglicher Couleur.
Hier müssen wir uns an die eigene Nase fassen! Wir haben uns die Vermittlung von Wissen auf die Fahne geschrieben, aber hierbei offensichtlich versagt.

Für uns als Gruppe, wie auch für andere Teile der radikalen Linken, muss es nun also wieder heißen, in den öffentlichen Diskurs zu intervenieren, das Gedenken der Stadt in den Fokus unserer Kritik und Praxis zu rücken und nicht beim bloßen “Gegen – Nazis – sein” stehen zu bleiben!

13. Februar, Stadt Dresden, Symbolbild

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