Alu-Intervention im Großen Garten

Gestern, am 23.05.2020 haben wir der sogenannten “Hygienedemo” im Großen Garten einen Besuch abgestattet, um gegen die dort stattfindenden Proteste zu intervenieren. Während wir die Debatte und Kritik an den im Zuge der Covid19-Krise getroffenen (autoritären) Maßnahmen selbst, für gerechtfertigt, ja sogar notwendig erachten, ging es uns dort darum klarzustellen:
Nicht mit diesen Antworten! Nicht mit diesen Leuten!

Unsere Position zu den dort stattfindenden Protesten und der Gefährlichkeit der dort verbreiteten Inhalte haben wir vor Ort in einem Redebeitrag und auf Transparenten kund getan. Nachfolgend findet ihr den vor Ort verlesenen Beitrag:

Redebeitrag zu Verschwörungstheorien und Beteiligung Rechter Akteur*innen bei den Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Covid19-Virus

(gehalten am 23.05.2020 im Großer Garten am Rande der „Hygienedemo“)

Infolge der Coronapandemie und ihrer Gefahren traten in Deutschland Maßnahmen in Kraft, welche auch diverse, festgeschriebene Grundrechte einschränken. Aktuell sind in Sachsen (politische) Versammlungen, so wie wir sie kennen, untersagt. Während des vermeintlichen Lockdowns waren individuelle Freiheiten massiv beschnitten. So war es während dieser zwei Wochen gar untersagt, Menschen, welche nicht im selben Haushalt leben, zu treffen. Auch die Idee einer Tracing-App löst Unbehagen aus. So könnte diese auch nach der Coronakrise den Datenschutz und individuelle Freiheiten tangieren und schlimmeres. Bei allem Verständnis und aller Solidarität mit den potentiell Betroffenen, sind diese Maßnahmen aus der Perspektive der radikalen Linken scharf zu kritisieren, beinhalten sie doch die latente Gefahr der sukzessiven Aushöhlung demokratischer Grund- und Freiheitsrechte, ebenso wie die 2019 beschlossenen neuen Polizeigesetze in vielen Bundesländern.
Genau so muss der Umgang mit den Marginalisierten der Gesellschaft kritisiert werden. Die ersten die von Repression betroffen waren, waren Wohnungslose. Auch die Massenunterkünfte für Geflüchtete und die Abschiebeknäste waren egal und spielten keine Rolle, als es darum ging Maßnahmen zu finden, die die Ausbreitung des Covid-Virus eindämmen und die Unversehrtheit menschlichen Lebens zu schützen.
Auch die Krise der Wirtschaftsweise unserer Gesellschaft und die Notwendigkeit ihrer Überwindung sind durch die Pandemie offensichtlich, ja spürbar geworden.

Eine Kritik an den „Anticoronamaßnahmen“ sowie unserer Wirtschaftsweise ist Notwendig, doch muss auf Grundlage von Vernunft und Logik aufbauen und darf nicht verkürzt daherkommen.
Leider müssen wir aktuell feststellen, dass die richtige und wichtige Kritik an den autoritären Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie und die Diskussion darüber, ob und inwieweit diese eine Erosion demokratischer Grund- und Freiheitsrechte darstellen, zusehends von Akteur*innen der politischen Rechten und von Verschwörungsmythen überlagert werden. Selbstkritisch muss sich die radikale Linke eingestehen, dass sie auf die autoritären Maßnahmen kaum Antworten hatte und hat.

Wie zu erwarten, wenn in Deutschland für komplexe Phänomene und Probleme zum „demokratischen Widerstand“ aufgerufen wird, kam was kommen musste: Vielerorts wie auch heute hier, versammelt sich eine Mischung aus Esoterikern, Bauch-Linken, Aluhüten, „besorgten Wutbürger*innen“, Pegida-Teilnehmer*innen, sogenannte Reichsbürger bis hin zu Neo-Nazis.
Was alle eint, ist der Glaube an eine übergeordnete Schuld, die es zu entlarven und zu bekämpfen gilt. Es sind irrationale Erklärungsmuster, welche „die Schuld“ personifizieren und auf einzelne Charaktermasken oder Personengruppen, wie Bill Gates oder die regierenden Politiker hierzulande, projiziert. Auch wenn dies nicht gleich ins Auge springt, womöglich sogar absurd-komisch erscheinen mag, mündet dies meist in strukturellen Antisemitismus.
Doch immer häufiger tritt der Antisemitismus völlig unverblümt zu Tage. So tragen Demonstrierende, wie zum Beispiel in Gera gelbe Armbinden, Aufnäher oder Schilder mit Davidstern und geben sich so als “neue Juden” und relativieren somit die Shoah.
Viele denen wir im Großen Garten bereits lauschen „durften“, leugnen auch schlicht und ergreifend die Existenz des Covid-19-Virus und sehen darin lediglich ein Werkzeug derer, denen Sie die Schuld an der aktuellen Situation zuweisen.
Das das Geschwurbel rund um Covid-19 und die sogenannten “Hygiendemos” nicht nur harmloses Gespinne ist, zeigen einmal mehr die Attentate von Halle und Hanau. Die Täter hingen diversen Verschwörungsideologien an und ließen ihren Ansichten Taten folgen. Es wurden zwölf Menschen ermordet.

Das die extreme Rechte angesichts der Inhaltlichen Schnittmengen an diese Proteste andockt ist also wenig verwunderlich. Für Sie, die aus der „Coronakrise“ bisher keine Vorteile ziehen konnte sind diese Demonstrationen eine Chance wieder wahrgenommen zu werden und ihre menschenverachtenden Inhalte zu verbreiten.
Hier in Dresden nehmen regelmäßig Vertreter*innen der AfD an den „Hygienedemos“ teil. In Cottbus wird das Schauspiel gar von der AfD organisiert. Klassische Fascho(-hool)s, wie Sebastian Reiche und co waren ebenfalls bereits in Dresden und Pirna mit am Start. Und auch IB- und Rechtsrock-Fans wurden neben Anhänger*innen verrücktester, teils, offen antisemitischer Verschwörungstheorien gesehen.
Die Teilnahme all dieser rechten Akteur*innen zeigt aber auch die Inkohärenz und teils Widersprüchlichkeit rechter Positionen. Während man einen Despoten wie Orban, der ohne demokratisch legitimiertes Parlament per Dekret diktiert, für seine Politik und seinen rigiden Umgang mit der Pandemie lobt, sieht man sich hierzulande auf dem Weg in die Diktatur, weil man gezwungen ist beim Einkaufen ein Tuch vor Mund und Nase zu tragen. Oder auch wenn der populistische Opportunismus der AfD offen zu Tage tritt, wenn Sie zu Beginn der Corona-Krise ein zu spätes und zu lasches Inkrafttreten des Lockdowns kritisiert und nun die inzwischen erlassenen Maßnahmen als fatalen Fehler zu Ungunsten der deutschen Wirtschaft darstellt.

Was uns seit Beginn der sogenannten „Hygienedemos“ aber besonders sauer aufstößt, sind zwei Dinge:

  1. Dass nicht wenige Medien und Politiker*innen wieder über das rechte Stöckchen springen und den Krakeeler*innen wieder Verständnis entgegen gebracht wird.
    Während sich Minister Präsident Kretschmer fernhielt, als tausende für Gund- und Menschenrechte bei Unteilbar oder gegen das neue Polizeigesetz demonstrierten, weil er die Beteiligung „der Antifa“ witterte; tummelt er sich nun unter die Demonstranten der Hygiene-Demos während fünf Meter weiter eine Reichskriegsflagge gezeigt und er von offensichtlichen Nazis voll gebrüllt wird.
  2. Dass allenthalben von „Extremisten aller politischer Richtungen“ gesprochen wird. Wenn man schon Begriffe wie Querfront in den Raum wirft, dann sollte man diese auch mit Inhalt füllen. Querfront ist eine Taktik der politischen Rechten. Es ist der Versuch mit (vermeintlich) linken Ideen und Inhalten und angeblich zum Schutze der Demokratie menschenverachtende Ideologeme zu verbreiten. Aber das, was aktuell auf den „Hyienedemos“ verbreitet wird, hat nichts mit linken Ideen und Inhalten zu tun.

Abschließend möchten wir betonen:

,Kritik an den autoritären Maßnahmen – und genau das sind sie, wenn sie die persönliche Lebenswelt des Individuums betreffen und einschränken – ist sinnvoll und notwendig. Verschwörungstheorien und Dämonisierung einzelner Schuldtragender allerdings sind unsinnig und gefährlich. Eine fundierte Kritik muss vor allem das System betrachten, welches den Rahmen für die Bewältigung der Corona-Krise vorgibt. Wir reden vom Kapitalismus. Die neo-liberale Wirtschaftspolitik hat zum Beispiel die Privatisierung des Gesundheitssektors vorangetrieben. Nun arbeiten Krankenhäuser, welche eigentlich dem Wohl der Allgemeinheit dienen sollten, wie Unternehmen in Konkurrenz zueinander, was die nun benötigte Bereitstellung der Gesundheitsversorgung immens erschwert.
Es ist die gleiche Politik, die hierzulande Tausende ohnehin prekär Beschäftigte in die Selbstständigkeit gezwungen hat um nun, in Krisenzeiten, noch weniger soziale Absicherung zu haben. Und es ist die Politik die das Damoklesschwert Hartz4 erfunden hat, welches nun über all denen schwebt, deren Arbeit die Regierung nach Maßgabe der Wirtschaftlichkeit nun mal eben als nicht systemrelevant eingestuft hat.

Auch uns kotzt der gegenwärtige Zustand und einige der in dessen Zuge getroffenen Maßnahmen an, wir brauchen allerdings keine Verschwörungstheorien um ihn zu erklären! Wir sagen nieder mit der neo-liberalen Wirtschaftsordnung, nieder mit dem Kapitalismus – Für eine solidarische Gesellschaft für alle!

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