Ein paar Gedanken zur Strategiekonferenz von Dresden Nazifrei

Zunächst einmal möchten wir sagen, dass wir es für Richtig und Wichtig halten, sich gemeinsam grundsätzliche Gedanken darüber zu machen, wie es in Dresden mit dem Gegenprotest zu Pegida weitergehen soll. Es ist unübersehbar, dass es im letzten Jahr an einer längerfristigen und wirkungsvollen Strategie gefehlt hat und immer noch fehlt. Dass diese Strategie an einem Wochenende entwickelt werden kann, hat wohl auch niemand erwartet. Der stattgefundene Austausch und die Vernetzung, sowie gemeinsam erarbeitete Analysen können aber ein Anfang einer notwendigen Strategiedebatte sein, auch wenn wir manche dieser, oft nicht neuen Analysen, nicht teilen. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass Dresden Nazifrei laut einem ersten Fazit seine Arbeit stärker auf gesellschaftliche Ursachen, die Pegida ermöglichen, fokussieren will[1]. Da wir jedoch grundlegend Kritik an der Ausrichtung der Strategie, die während der Konferenz gefunden werden sollte, haben, als auch Aussagen als Ergebnisse von Workshops getätigt wurden, die wir auf keinen Fall so stehen lassen können, haben wir diesen kurzen Text formuliert, der als konstruktiver Beitrag zu dieser Debatte verstanden werden soll.

Zusammen mit der Gruppe AusserKontrolle haben wir Genoss*innen der Initiativa ne rasismu aus Tschechien eingeladen, die einerseits über die BIP (Block gegen Islam) berichteten und zum 06.02., im Rahmen des von Pegida und pegidanahen Organisationen ausgerufenen Demonstrationstages, nach Prag mobilisierten, und andererseits zum Stand offen rassistischer Mobilisierungen und den aktuellen gesellschaftlichen Diskursen bezüglich Migration in Tschechien allgemein informierten. Wichtig war uns das, um das Problem Rassismus allgemein und Pegida speziell in einen internationalen Kontext zu stellen und um klarzustellen, dass dieses nicht lokal in Dresden zu lösen ist. Außerdem soll zu einem kontinuierlichen Austausch mit Genoss*innen außerhalb Deutschlands angeregt werden. Eine erste Möglichkeit dazu bietet die transnationale Mobilisierung zum Aktionstag gegen die Festung Europa am 06.02. (actionday.noblogs.org).

Was uns vor allem dazu bewogen hat diesen Text zu schreiben, war ein unserer Meinung nach massiv verkürztes Verständnis von Rassismus, welches sich während der Abschlussveranstaltung zeigte. Als Ergebnis eines Workshops wurde vorgetragen, dass Rassismus, besser: dessen Genese hauptsächlich mit Bildung begegnet werden müsse. Zuerst fragen wir uns, was hier konkret mit Bildung gemeint ist. Da diese in diesem Kontext mit dem eigenen akademischen Titel/Umfeld assoziiert wurde, liegt der Schluss nahe, dass Bildung hier Ausbildung bedeuten soll. Dies ist nicht nur in Bezug auf Pegida offensichtlich falsch[2], sondern zeugt auch von einem chauvinistischen Verständnis des Eigenen, mutmaßlich von Rassismus freiem, akademischen Milieu gegenüber dem Bildungsfernen, welchem grundlegend Anfälligkeit für rassistische Ideologien unterstellt wird. Unabhängig von der Bedeutung von Bildung in diesem Kontext wird dabei verkannt, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, welches in seinen Ursachen vielschichtig ist. So kann Rassismus auch als Instrument angesehen werden, welches unter anderem zur Stabilisierung von Macht-, Herrschafts- und Besitzverhältnissen dient, indem er bspw. als Ideologie(-fragment) verstanden wird, welches dazu dient, den gesellschaftlichen Zusamenhalt und den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten. Dabei können sich auch „Gruppen, die von den Reichtümern unserer Wohlstandsgesellschaft ausgeschlossen sind, die aber gleichwohl zur Nation gehören und sich mit ihr identifizieren wollen, im Rassismus eine authentische Form der Identitätsgewinnung und des Selbstbewusstseins finden“[3]. Die „deutsche Mannschaft“ muss zusammenstehen im internationalen Wettbewerb! Nicht außen vorgelassen weden darf dabei auch ein institutioneller Rassismus, der sich massiv an den Außengrenzen Europas in Form eines Systems äußert, welches mit allen Mitteln versucht, Geflüchtete aus Europa fernzuhalten. Allein 2015 starben über 3500 Menschen bei dem Versuch das Mittelmeer, als Teil dieser Grenzen, zu überwinden. Währenddessen wird in Deutschland die nächste Asylrechtsverschärfung beschlossen[4]; die letzte lag nur wenige Monate zurück. Nun können Menschen, die als nicht nützlich für die hiesigen Verhältnisse betrachtet werden, einfacher abgeschoben bzw. ihre Leistungen einfacher gekürzt werden[5]. Rassismus auf Basis ökonomischer Standortlogik. Den Menschen hinter diesem System kollektiv fehlende Bildung zu unterstellen, wäre wohl mehr als fatal.

Ein weiterer großer Kritikpunkt war der Vorschlag den rassistischen Mobilisierungen mit “Kunst und Kultur” begegnen zu wollen. Die Annahme mit “Kunst und Kultur”oder “Bildung” menschenverachtenden Einstellungen beikommen zu können ist völlig absurd. Wie im dritten Abschnitt schon erwähnt, sind kunstschaffende Menschen nicht per se gute Menschen, auch der Rekurs auf vermeintliche höhere (Aus-)Bildung im “Kampf gegen Rechts” ist chauvinistisch und somit keinen Deut besser als andere Formen diskriminierenden Denkens und Handelns. Wie auf der Abschlussveranstaltung schon von einer Einzelperson kritisiert, muss, vor allem in Dresden, “Kunst und Kultur” als identitätsstiftendes Moment gesehen werden, was, gerade in Zeiten eines vermeintlchen “Clash of Civilizations”, zu einer “Freund-Feind-Dychotomie” führen muss. Soll heißen: es kann Grundlage eines konstruierten “Wir” sein, welches “Die Fremden” im Konkurrenzkampf um Macht und Ressourcen mit aller Kraft bekämpfen muss. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter, und sagen, dass die Selbstwahrnehmung der Stadt Dresden und deren Einwohner*innen als Hort der Hochkultur, “die Lüge von der Schönheit der Vergangenheit”[6], ein Grund dafür ist, dass Dresden ein Epizentrum des deutschen Menschenhasses ist. Der selbstzufriedene Rückgriff auf den Ruf als “Elbflorenz”, als barocker Traum, ist Identitätsstiftend und eint alle, wirklich alle, stolzen Dresdner*innen – am Ende reicht man sich selber. Die leidgeplagte Bevölkerung, war sie doch Opfer zweier Diktaturen und absolutistscher Herrscher wie der CDU, geht nur auf die Straße, wenn es um den eigenen Ruf geht, oder die Angst, teilen zu müssen. Kritische Stimmen werden dann schnell zur “Nestbeschmutzung”, und überhaupt will man doch nur in die gute alte Zeit zurück! Abgesehen von allem bisher vorgebrachten, zeigt die Erfahrung im bürgerlichen Umgang mit Pegida, dass der “Kunst-und-Kultur-Ansatz” bisher keine Früchte trug. Im Gegenteil! Der gleichgültige Teil der Bevölkerung konnte mit “Kunst und Kultur” bisher nicht abgeholt werden.

Abschließend müssen wir noch einmal auf den Punkt “Umgang mit der Presse” kommen. Der von dem*der Vertreter*in des Workshops gestellte Vorwurf, bei einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen im Anschluss an die Demonstration in Erinnerung an den ermordeten Khaled wäre ein*e Pressevertreter*in rausgeschmissen worden, wurde noch während der Diskussion entkräftet. Den Eifer Angriffe auf die Pressefreiheit von Linken zu konstruieren können wir nicht nachvollziehen. Was uns aber schockiert hat, ist die völlig fehlende Sensibilisierung für die Situation von Geflüchteten. Menschen, die bspw. aus Eritrea geflüchtet sind, drohen auch hier noch Repressionen durch die eritreische Botschaft. Dem Wunsch dieser Menschen nach Anonymität nach zu kommen, sollte außer Frage stehen. Diese Anonymität ist auch für viele (linke) Aktivist*innen, gerade in der sächsischen Provinz notwendig, um nicht Ziel von Angriffen zu werden. Dies als feige zu bezeichnen, zeugt von unfassbarer Ignoranz.

Wie Eingangs erwähnt, wurden wenig Fortschritte zum Finden einer Strategie erzielt. Bevor diese entwickelt werden kann, muss ein Bewusstsein für das Problem geschaffen werden. Wie wir hier in Ansätzen versucht haben zu erklären kann dieses nicht auf Pegida reduziert werden, sondern muss gesamtgesellschaftlich betrachtet werden. Die Lösung des Ganzen kann daraus folgend auch nur in der Überwindung dieser Vehältnisse liegen. Dafür muss es verunmöglicht werden, dass Kritik und progressive Ideen mittels Verweis auf “Extremismus” und Äquidistanz diskreditiert werden. Nur so, denken wir, wäre es möglich Alternativen zum status quo zu vermitteln, was die Grundlage dafür sein könnte menschenverachtenden Ideen das Fundament zu entziehen. Denn aktuell muss konstatiert werden, dass die Zivilgesellschaft nur wenig Hilfe im Kampf gegen diskriminierende Einstellungen sein kann, da sie es nicht schafft die eigene Herrschafts- und Verwertungslogik zu reflektieren und somit zur Zeit eher Problem denn Lösung ist!

[1] http://dresden-nazifrei.com
[2] Studien des Instituts für Demokratieforschung Göttingen (http://www.demokratie-goettingen.de/) und von Prof. Dr. Hans Vorländer (https://tu-dresden.de), diese können trotz fehlender Repräsentation einen groben Eindruck des/der durchschnittlichen Pegida-Teilnehmer*in geben, zeigen aber mindestens, dass dieser alles andere als zwangsläufig bildungsfern ist
[3] Stuart Hall, Rassismus als ideologischer Diskurs, Vortrag gehalten am 17.5. in Hamburg, in: Nora Räthzel, Theorien über Rassismus, Hamburg 2000
[4] http://www.proasyl.de/
[5] http://www.proasyl.de/
[6] Schubert, Gunnar: Zum Turme hebt es, … in: Gedenken Abschaffen (2013) S. 165

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