“Nicht loslassen” – Dresden und der 13. Februar
Eigentlich könnte man sagen, dass sich in den letzten Jahren einiges getan hat in Dresden. Auch wenn Stadt und Bürgis immer noch dem Irrglauben aufsitzen, vergeben zu dürfen, anstatt um Vergebung zu bitten. Ebenso die Tatsache, dass die Faschos den 13. Februar nicht instrumentalisieren, sondern hier ein Schnittpunkt zwischen bürgerlich-konservativer und (neo-)nazistischer Ideologie sichtbar wird, hat sich noch nicht wirklich herumgesprochen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Aufmarsch der (Neo-)Nazis nicht mehr ignoriert wird. Auch gibt man von Seiten der Stadt vor, Probleme wie Rassismus und Antisemitismus zu erkennen, ja zu bekämpfen und das Rumgeopfer nach offiziellem Protokoll auf dem Thing…, öhm, Heidefriedhof wurde überdacht. Dennoch bekommt Dresden auch zum 75. Bombiläum sein Verhältnis zur eigenen Geschichte einfach nicht in den Griff.
Kann das diesjährige Layout der Stadt zum 13. Februar, welches nicht nur dem ersten Eindruck nach dem ähnelt, welches den „Gedenkmarsch“ der Faschos 2015 bewarb, als unglücklich abgetan werden, muss das diesjährige Motto – “Nicht loslassen!” – allen Kritiker*innen des institutionalisierten Gedenkzirkus sauer aufstoßen. So wird Jahr für Jahr gebetsmühlengleich kritisiert, dass das offizielle und kollektive Gedenken der eigenen Opferrolle die wirklichen Opfer unsichtbar macht, die eigene Rolle als Täter*innen verschleiert und schlussendlich ein Grund für das braune Fundament Dresdens ist. Schlussendlich ist dieses sorgsam gepflegte Opfernarrativ nicht nur verdammt anschlussfähig für (Neo-)Nazis und andere Menschenfeinde, es eint die hiesige Volksseele.
Wer Opfer und Täter*innen gleichmacht, stellt sich bewusst und aktiv gegen Aufarbeitung und #NieWieder
Doch Dresden wäre nicht Dresden, wenn man sich in der eigenen Niedertracht nicht selbst übertreffen würde. So sollen, auf Initiative des “Denk Mal Fort e.V.”, dieses Jahr die Namen aller namentlich bekannten Toten rund um den 13. Februar, die in den Reihengräbern und im Aschegrab des Heidefriedhofs bestattet wurden, verlesen werden. Diese Praxis ist den Opfern des Nationalsozialismus vorbehalten. Das Verlesen der Namen von getöteten Menschen, ist eine Erinnerung an die Opfer der deutschen Barbarei und der Mahnung, dass sich so etwas nie wiederhole. In Dresden soll diese Praxis des Gedenkens und der Mahnung nun zum Wohle der eigenen Opferrolle umgedeutet werden.
Unter den Namen, welche verlesen werden sollen, befinden sich nicht nur vermeintlich normale Dresdner*innen, die sich in nicht unerheblichem Maße durch dulden, verleumden und verfolgen mitschuldig gemacht haben, sondern auch nachweislich Täter*innen und Nutznießer*innen des Nationalsozialismus und schlimmer: deren Opfer. Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene, politische Gefangene und Widerstandskämpfer*innen. Die Idee dahinter soll sein, dass durch das Verlesen den Toten ihre Individualität wieder gegeben werden soll. Das Gegenteil ist der Fall. Die Täter*innen werden ihren Opfern gleichgestellt. Jüdische Menschen, politisch Verfolgte und Andere, nicht in die tödliche nationalsozialistisch-deutsche Norm Passende werden ihren Schlächter*innen und deren Bücklingen gleichgemacht. Schon der Gedanke daran, dass die Opfer der deutschen Barbarei und ihrer Mörder*innen in gleicher Weise – egal ob trauernd oder mahnend – vermengt werden, ist einfach nur widerwärtig und zum Kotzen! Doch es ist nicht nur moralisch verwerflich, es ist auch politisch nicht zu vertreten. Denn es stellt einen weiteren Schritt in Richtung Normalisierung und Schlussstrich dar. Einen weiteren Schritt in Richtung „von Auschwitz nichts mehr hören wollen.“
Wie Eingangs schon erwähnt, ist die letzten Jahre doch auch Positives in der Stadt geschehen. So bewerben die Stadt Dresden und die AG13Februar den 13. Februar 2020 mit einem Slogan, welcher bedeuten könnte: Kein Schlussstrich! Was aber am Ende wieder bleibt, ist das Altbekannte: Weiter so!
Deutsche Täter*innen sind keine Opfer – Wir gedenken der Opfer der deutschen Barbarei.