Sachsen plant ein neues, verschärftes Polizeigesetz
Zugunsten der inneren Sicherheit, wollen CDU und SPD die Befugnisse der Exekutive in Sachsen erweitern und Bürger*innenrechte weiter beschneiden. Beschlossen werden soll das Ganze wohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne die Menschen zu informieren. Viele werden wieder entgegnen: „Mir doch wurscht! Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“ Quark! Als ersten Schritt eine kritische Gegenöffentlichkeit zu schaffen, dokumentieren wir hier einen Artikel der Sächsischen Zeitung, welcher kurz nach Veröffentlichung offline ging und seitdem nicht mehr online einsehbar ist:
Sachsen bekommt neues Polizeigesetz
CDU und SPD haben sich auf eine Ausweitung der Befugnisse der Beamten geeinigt – verhandelt werden nur noch Details.
Von Gunnar Saft
Schon jetzt tragen sächsische Polizisten in einigen Städten testweise Bodycams. Die Körperkameras sollen die Beamten vor aggressiven Personen schützen. Kritiker sehen unter anderem datenschutzrechtliche Bedenken.
Die schwarz-rote Regierungskoalition in Sachsen ist bei einem der wichtigsten und auch umstrittensten Projekte dieser Legislaturperiode einen entscheidenden Schritt vorangekommen. So einigten sich CDU und SPD darauf, die Befugnisse der sächsischen Polizeibeamten künftig in vielen Bereichen deutlich zu erweitern. Gleichzeitig soll es eine gesetzliche Neuregelung geben, mit der Schadensersatzansprüche von im Dienst verletzten Polizisten künftig abgesichert sind.
Mit diesem Durchbruch bei den internen Verhandlungen ist der Weg dafür frei, dass der Landtag noch vor der Sommerpause das seit Langem geplante neue Polizeigesetz beschließen kann. Absehbar wird Innenminister Roland Wöller (CDU) dem Kabinett bereits am 27. Februar einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Verabschiedung vorlegen. Danach sind eine mehrwöchige parlamentarische Beratung sowie eine öffentliche Anhörung geplant. In diesem Zeitraum wollen die Fraktionen von CDU und SPD dann auch einige wenige noch strittige Details endgültig klären.
Eine grundsätzliche Einigung gibt es inzwischen allerdings darüber, dass die Möglichkeiten zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum erweitert werden. So soll diese künftig nicht nur an ausgewählten Kriminalitätsschwerpunkten zum Einsatz kommen dürfen, sondern auch auf Wegen, die zu diesen Bereichen hin- sowie wegführen. Außerdem soll die Videoüberwachung auf Routen zur Anwendung kommen, auf denen erfahrungsgemäß Diebesgut von Deutschland nach Osteuropa verbracht wird. Als noch offener Punkt gilt dabei allerdings der Einsatz einer Gesichtserkennungsoftware, mit der automatisch nach zur Fahndung ausgeschriebenen Straftätern gesucht werden kann. Ein ähnliches System nutzt Sachsen bereits bei der Suche nach Fahrzeugen mit bestimmten Kfz-Kennzeichen. Nach dem bisher ausschließlichen Einsatz von mobilen Kennzeichen-Scannern ist dabei nun auch der Aufbau stationärer Anlagen im Gespräch.
Videoüberwachung und Fußfesseln
Erweitert werden sollen zudem die Möglichkeiten der
Telekommunikationsüberwachung, um so effektiver gegen politisch oder religiös motivierte Kriminalität sowie gegen Terrorismus vorgehen zu können. Künftig soll die Polizei dabei unter Richtervorbehalt auch auf Inhalte – und nicht nur auf allgemeine Verbindungsdaten – zurückgreifen, die ihnen von den entsprechenden Kommunikationsanbietern zur Verfügung gestellt werden müssen. Den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern, bei denen die Beamten selbst den Inhalt von Kommunikationsverbindungen direkt abrufen können, wird von der SPD weiter strikt abgelehnt. Die CDU dagegen sieht auch darin eine wichtige Maßnahme, besonders bei der Terrorabwehr.Einig ist sich die Koalition dann wieder über die Einführung von verschärften Meldeauflagen für gewaltbereite Straftäter. Mit deren Hilfe soll verhindert werden, dass Personen mit erkanntem Gewaltpotenzial
künftig zu Ereignissen wie dem G-20-Gipfel in Hamburg oder zu risikoreichen Fußballspielen anreisen können. Ausgemachte terroristische Gefährder sollen künftig zudem mit Aufenthalts- und Kontaktverboten belegt werden dürfen. Zudem sollen für eine bessere Überwachung dieser Personengruppe auch elektronische Fußfesseln zum Einsatz kommen, obwohl der praktische Wert koalitionsintern umstritten ist. Kritiker verweisen darauf, dass so lediglich der Aufenthaltsort fesgestellt, aber keine Anschläge verhindert werden können.Klären müssen CDU und SPD noch die endgültigen Regeln für den künftigen Einsatz von Bodycams im sächsischen Polizeidienst. Die Körperkameras, die einem besseren Schutz der Beamten vor aggressiven Personen dienen sollen, werden zurzeit in einigen Städten des Freistaates getestet. Hier geht es vor allem um Fragen des Datenschutzes, weil dabei meist auch Aufnahmen von Unbeteiligten entstehen. Außerdem muss die Koalition festlegen, ob generell auch Polizisten durch eine besondere Kennung an den Uniformen eindeutig identifizierbar sind.
Zweifel, dass man sich in den Details noch einigt, gibt es aber nicht. Auf der SPD-Seite, wo es lange Bedenken gegen einzelne neue Maßnahmen gab, ist man mit den erreichten Kompromissen zufrieden. „Die wichtigste
Aufgabe des Staates ist, für die größtmögliche Sicherheit seiner Bürger zu sorgen“, sagt der Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, Albrecht Pallas. Das erreiche man nicht nur mit der Aufklärung, sondern vor allem mit der Verhinderung von Straftaten. „Und wenn sich die Welt technisch weiterentwickelt, dann müssen das auch die Instrumente der Polizei.“Pallas verweist darauf, dass neben dem geplanten neuen Polizeigesetz eine andere wichtige Neuregelung bereits im parlamentarischen Verfahren ist. So soll ein neues Gesetz dafür sorgen, dass der Freistaat künftig die Schadensersatzansprüche von im Dienst verletzten oder anderweitig geschädigten Polizisten erst einmal selber auszahlt, wenn die jeweiligen Täter dazu nicht in der Lage sind. Später muss dann der Staat und nicht mehr der einzelne Beamte versuchen, das ausstehende Geld doch noch einzutreiben. Damit wolle man den Betroffenen in ihrem oft schwierigen Dienst noch besser entgegenkommen.